KOMÖDIE IM DUNKELN

 

Spielzeit 2006/2007

 

 

Angebots-Laufzeit: 26.Sept. bis ca. 20.Nov. 2006
und 8. Jan. bis Ende Feb. 2007

 

Wiederholungstournee Frühjahr 2008

 

 

 

BESETZUNG

 

Regie Thomas Stroux
Bühnenbild und Kostüme Rolf Doerr
Brinsley Miller Sebastian Goder
Miss Furnival Hannelore Cremer
Carol Melkett Birgit Koch
Colonel Melkett Joachim Hansen
Gorringe Thomas Stroux
Clea Petra Liederer
Schupanski Uwe Schwalbe
Godunov   Bernd Wünsche

 

 

 

Komödie im Dunkeln

 

Komödien leben von Überraschungen, die - wenn sie eintreten - die Welt ins Chaos stürzen. Bei der "Komödie im Dunkeln" des Engländers Peter Shaffer (geb. 1926), ist diese Überraschung ein plötzlicher Stromausfall, der für die betroffenen Personen alle nur denkbaren Verwicklungen zur Folge hat. Wie bei jeder guten Komödie wird es dadurch besonders komisch, dass die Komödie immer wieder fast in die Tragödie kippt – aber eben nur fast.


Shaffer wendet den Trick an, die Bühne immer dann hell zu erleuchten, wenn sie laut Regieanweisung für die agierenden Personen im Dunkeln liegt, und sie im Dunkeln zu lassen, wenn dort in Wirklichkeit alles hell erleuchtet ist. Der unerwartete Kurzschluss raubt den Personen aber nicht nur ihr Orientierungsvermögen, macht sie nicht nur zu hilflos tapsenden Wesen, sondern verändert auch ihre Handlungsweise. Sie denken, sie würden nicht gesehen, und tun Dinge, deren man sich bei Licht schämen müsste. Sie sprechen im Dunkeln über Personen, von denen sie glauben, sie seien abwesend, während diese schon längst unbemerkt im Raum sind. So macht das fehlende Licht Maskierung und Täuschung möglich, wirkt aber auch entlarvend und bringt am Ende die Wahrheit über die Menschen an den Tag.


Die Wirkung von Komödien lebt ganz entscheidend davon, dass der Zuschauer mehr weiß, als die Darsteller auf der Bühne. Diese Konstellation ist in Shaffers Stück perfekt erfüllt durch den simplen Trick alles, was der Zuschauer sieht, für die Schauspieler unsichtbar sein zu lassen. So ist der Zuschauer der Einzige, der in diesem herrlichen Chaos den Durchblick behält....

 

Brindsley Miller ist Bildhauer. Allerdings hat die Welt sein  künstlerisches Schaffen bisher wenig gewürdigt. Seine Werke entbehren offensichtlich jeder erkennbaren Botschaft und sind kaum verkaufbar. Doch der Besuch des mysteriösen russischen Millionärs und potenziellen Mäzens Godunow soll ihm zum gewünschten Durchbruch verhelfen (bis zum Schluss wird auf ihn gewartet - eine literarische Anspielung auf Beckets „Warten auf Godot“!). Zusammen mit seiner Verlobten Carol Melkett bereitet er seine Wohnung für den Besuch des potenten Finanziers vor. Dazu gehört für ihn auch, dass er mal eben die Wohnung seines verreisten Freundes und Antiquitätenhändlers Harold Gorringe leer räumt, um dessen kostbare Möbel zur Aufwertung in seinen eigenen vier Wänden zu platzieren. Schließlich muss ja auch Carols Vater, der grantige Colonel Melkett davon überzeugt werden, dass Brindsley für seine Tochter eine gute Partie ist.


Der Stromausfall macht alle großen Pläne zunichte. Plötzlich ist es stockdunkel in Brindsleys Wohnatelier und der Erfolg der heimischen Vernissage ist ernsthaft gefährdet. Jede Bewegung wird zu einem Drahtseilakt und Worte werden ziellos in den Raum geschleudert. Zunächst taucht die aufdringliche Nachbarin Miss Furnival auf - eine bigotte alte Jungfer und heimliche Säuferin - und kurz darauf der sich als äußerst sperrig erweisende Schwiegervater in spe Colonel Melkett. Als ob dessen ernsthafte Zweifel an Brindsleys Qualifikation nicht schon schlimm genug wären, erscheint unerwartet der äußerst feinfühlige Freund Harold auf der Bildfläche. Brindsley steht nun vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe, Carols alten Herren von sich zu überzeugen und Harolds Möbel unbemerkt wieder zurück tauschen zu müssen. Als später auch noch Brindsleys Exfreundin Clea die Dunkelheit zum unerkannten Eindringen nutzt, ist Brindsley endgültig am Ende seiner Kräfte. Nach und nach fliegt alles auf, der Möbelklau, die nach wie vor lodernde Affäre mit der Ex und damit es endgültig schmerzt, erweist sich der vermeintliche Millionär Godunow erst einmal als der Elektriker der Stadtwerke, der den Kurzschluss beheben soll..

Peter Shaffers Stück verlangt viel von den Darstellern. Obwohl sie für das Publikum sichtbar sind, müssen sie sich fast ausschließlich im für sie dunklen Raum bewegen. Sie stolpern über Stühle, verwickeln sich in Stromkabel, rennen sich gegenseitig um, zerlegen Brindsleys "Skulpturen", haben absolut jede Orientierung verloren. Wenn Brindsley Miller mit einem Lampenschirm über dem Kopf durch den Raum irrt oder eine Treppe herunter rutscht, Harold Gorringe und Carol Melkett ziellos auf der Suche nach einer Streichholzschachtel über den Boden krabbeln, wenn die angebliche Antialkolikerin Miss Furnival immer wieder "versehentlich" zur Ginflasche greift, der steife Colonel mit dem Schaukelstuhl umkippt, und der endlich doch erschienene Godunow in einer Bodenklappe verschwindet, dann ist die persönliche „Tragödie“, das sich ständig steigernde Chaos für den Zuschauer Grund für herrliches Gelächter.
Gleichzeitig wird die Einsicht gefördert, wie vergeblich soviel von unserem Bemühen schlussendlich ist.....

 

 

 

Peter Shaffer

 

wurde 1926 als Sohn eines Immobilienmaklers in Liverpool geboren. 1950 ging er nach New York und schrieb dort unter einem Pseudonym Kriminalromane und das Theaterstück „The Salt Land“, das von der BBC für das Fernsehen produziert wurde.

 

1954 ging Shaffer zurück nach London um als Marketingchef für einen Musikverlag und als Literatur- und Musikkritiker zu arbeiten. 4 Jahre später gelang ihm mit „Five Finger Exercise“ (Fünffingerübung) der Durchbruch als Dramatiker. Ein weiterer großer Erfolg waren die Einakter  „The Private Ear and the Publik Eye“ (Hören Sie zu, geben Sie acht) 1962. 1965 folgt „Black Comedy“ (Komödie im Dunkeln), sein erster absoluter Welterfolg. Kenneth Tynan, der Chefdramaturg des Nationaltheaters hatte Peter Shaffer erzählt, dass er dringend für die Sommerfestspiele im schottischen Chichester ein neues Stück brauchte. Innerhalb von 8 Wochen entstand, teilweise unter Mitarbeit des hervorragenden Ensembles des Nationaltheaters, eine der witzigsten Komödien des gesamten angelsächsischen Raumes und ein herrliches „Schauspielerfressen“. Kaum ein Stück der Komödien-Literatur wurde seitdem so oft gespielt wie „Komödie im Dunkeln“. Auf Tournee im deutschsprachigen Raum war es zuletzt 1985.

 

Inzwischen hat Peter Shaffer weitere Welterfolge geschrieben, wie z.B. „Equus“ 1973, „Amadeus“ 1979 und „Yonadab“ 1985.  „Equus“ und „Amadeus“ wurden verfilmt, letztes von Milos Foreman, für das Drehbuch bekam Peter Shaffer den Oscar und den Golden Globe. 2001 wurde Peter Shaffer wegen seiner Verdienste um die englische Literatur zum Ritter geschlagen.

 

 

 

Komödie im Dunkeln

wie das Stück entstand......

 

März 1965. Bedrängnis am National Theatre in London (Intendant Laurence Olivier). Drei Stücke müssen für die Sommerfestspiele in Chichester produziert werden, zwei stehen fest, für das dritte beteiligt Chefdramaturg Kenneth Tynan seinen Freund Peter Shaffer bei einem privaten Essen an der Suche. Nach längerem Zögern erzählt Shaffer seine Idee für ein neues Stück: Noch gar keine Handlung, keine Charaktere, nur die Erinnerung an einen Sketch der Peking-Oper: Eine Szene, in der zwei Männer einen Schwertkampf im Dunkeln ausfechten, bei vollem Licht auf der Bühne. Er meinte, dass dieser Einfall auch für eine heutige Geschichte genutzt werden könnte - ausgelöst durch eine Stromsperre oder einen Kurzschluss. Tynan ist begeistert, schleppt Shaffer zu Olivier und fragt diesen, ob er das Risiko auf sich nähme, auf Grund dieses Basiseinfalls Shaffer den Auftrag zum Schreiben eines ansonsten noch völlig unbekannten Stückes zu geben, Werbung dafür zu machen und – wegen der in England üblichen Organisationsformen – auch schon Karten dafür zu verkaufen. Olivier holte tief Luft und sagte „Ja“. Anfangs lähmte Shaffer das große Vertrauen mehr, als dass es ihn inspirierte. Auch hatte er Zweifel, ob ein so wunderbarer Einfall für mehr als einen Revue-Sketch ausreichen würde.


Shaffer: „Doch plötzlich dachte ich, na klar! Es muss jemand im Raum sein, vorzugsweise der Gastgeber, der ein Interesse daran hat, die Leute am Ort und im Dunkeln zu halten. Was wäre, wenn er ein paar Möbel gestohlen hätte, vom Nachbarn nebenan, der verreist gewesen und jetzt unvermutet zurückgekehrt wäre? Was immer es sein würde, er müsste es aus dem Zimmer geschafft haben, bevor es irgendjemand gelingen dürfte, Licht zu machen. Plötzlich hatte ich die richtige Farcen-Idee, und das war, er müsste nicht ein oder zwei Gegenstände rauszuschaffen haben, sondern das gesamte Mobiliar, und zwar ohne dass es jemand merkt. Ich erinnere mich, wie mir diese Idee kam und ich dalag und lachte. Ich glaube, auch die Götter hatten ihren Segen dazu gegeben.“

 

April 1965: Shaffer vollendet seinen ersten Entwurf und reist nach New York um Filmdrehbücher zu schreiben.

 

Mai 1965: Mysteriöse Telegramme überqueren den Ozean: „Gesellschaft teilt mit, durchgebrannte Sicherung in altem Haus kann Gasrohr undicht werden lassen“ und: „Aus supermännlichem Folksinger ist Antiquitätenhändler mit entgegengesetzten Anlagen geworden“. Mitten in seiner Arbeit für den Film schreibt Shaffer in 10 Tagen eine zweite Fassung von „Komödie im Dunkeln“.
Juni 1965: Wieder in England korrigiert Shaffer das Stück in Zusammenarbeit mit Regisseur Dexter und dem Ensemble (u.a. Albert Finney, Derek Jacobi, Maggie Smith und Michael Byrne). Ende des Monats wird die zweite Hälfte in vier Tagen völlig umgeschrieben.

 

Juli 1965: Shaffer: „Worte können kaum die Nervosität unserer letzten Proben beschreiben. Da gab es neue Texte auf blauem Papier, auf rotem Papier, auf grünem Papier und auf gelbem Papier, die Rollenbücher bekamen eine märchenhafte Farbskala....“ Olivier kommentierte: „Eine Farce, die unter farcenhaften Bedingungen entstanden ist.“

 

Ich liebe Komödien, Farcen, und ich würde liebend gerne mehr davon schreiben. Ich werd’s auch tun, es ist schließlich sehr wichtig, Komödien zu schreiben. Es ist sehr hart, und ich glaube,  es verlangt fast mehr Disziplin als die „ernsthaften“ Stücke.


Peter Shaffer